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Welche Folgen hat das Jahr 2020?

Es ist schwer, den Blick in die Zukunft zu richten, solange sich die Schockwellen einer Explosion noch weiter ausbreiten und viele weiterhin damit kämpfen, sich aus dem Schutt zu ziehen. Die Gesundheitskrise des Jahres 2020 ist mit Sicherheit eine dieser Situationen. Die täglichen Statistiken über die anhaltend rasante Ausbreitung des Virus, die Details der immer neuen Notfallprogramme der Regierungen sowie die monatliche Entwicklung der Wirtschaftsstatistiken neigen dazu, die Aufmerksamkeit der Beobachter zu bannen. Ganz zu schweigen von dem Auf und Ab des amerikanischen Präsidentschaftswahlkampfes der vergangenen Wochen, der manchmal eher einer Gassenschlägerei zwischen zwei Greisen als dem Wettbewerb von Ideen gleicht.

Dennoch scheint die bloße Wucht des Schocks des Jahres 2020 das Potenzial zu haben, gravierende langfristige Folgen für Anleger nach sich zu ziehen.

Die bloße Wucht des Schocks des Jahres 2020 könnte gravierende langfristige Folgen nach sich ziehen


All dies beeinträchtigt das Wachstumspotenzial in Europa, den Vereinigten Staaten und den Schwellenländern. Ebenfalls betroffen sind die Zukunft der Verbraucherpreisinflation und die Währungsstabilität. Dies sind Fragen, die nicht vernachlässigt werden dürfen, wenn man sich mit den Perspektiven der Aktien-, Zins- und Währungsmärkte beschäftigt.

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Die Zukunft des Wachstums

Derzeit werden praktisch alle Einkommensverluste der Haushalte aufgrund der Krise von den Regierungen getragen, sowohl in Europa als auch den USA. Dank dieser beispiellosen politischen Mobilisierung lassen sich heute ermutigende Signale der Erholung erkennen: die zudem durch die Phänomene der Lagererneuerung nach dem Zusammenbruch in den vorherigen Monaten gefördert werden. Das dritte Quartal wird durch eine Phase der starken Erholung geprägt sein, was auch den Export aus China begünstigt, wo die Wirtschaftstätigkeit fast wieder einen normalen Rhythmus angenommen hat. In den nächsten Monaten, wenn nicht gar Wochen, könnte eine Einigung des US-Kongresses über ein neues Hilfspaket zusammen mit den ersten konkreten Nachrichten über einen wirksamen Impfstoff diese Dynamik antreiben und die Stimmung an den Märkten beflügeln.

Allerdings trieben die entschlossenen Maßnahmen der Regierungen die Haushaltsdefizite auf exorbitante Höhen, was nur durch ein genauso beispielloses Eingreifen der Zentralbanken finanziert werden konnte. Es wäre eine Illusion oder zumindest übersteigerter Optimismus, mit einer uneingeschränkten Fortsetzung dieser Politik zu rechnen. Der Frage nach der Nachhaltigkeit der Haushaltsdefizite kann nicht ewig aus dem Weg gegangen werden: Vor allem da sie angeheizt wird durch die Zentralbanken, den Garanten der Finanzstabilität, und ihrer angeborenen Zurückhaltung hinsichtlich der uneingeschränkten Ausweitung ihrer Programme zum Ankauf von Vermögenswerten. Wir sollten daher die Perspektive eines „Grenzszenarios“ hinsichtlich der Konjunkturmaßnahmen in unsere langfristige Sicht aufnehmen.

Sicherlich wird die absehbare Entdeckung eines Impfstoffs bald dazu beitragen, zu einer Form der Normalität zurückzukehren. Außerdem sollten wir den erforderlichen Zeitraum nicht unterschätzen, bis ein idealer Impfstoff – der nur eine einzige Injektion benötigt, bei Umgebungstemperatur gelagert werden kann und mindestens zu 70 Prozent und dauerhaft wirksam ist. Weiterhin braucht es Zeit, bis der Impfstoff in ausreichender Menge produziert und verabreicht werden kann, damit die Auswirkungen der Pandemie der Vergangenheit angehören.

Überdies leiden Produktion und Investitionen und somit auch die Beschäftigung weiter unter den Folgen des wirtschaftlichen Schocks des Jahres 2020. Betroffen sind insbesondere die Sektoren Luftfahrt, Ölförderung, Tourismus, Gastronomie, Gewerbeimmobilien und Einzelhandel. Die Beschäftigungsverlagerung von diesen Sektoren hin zu Bereichen mit großem Potenzial, vornehmlich die der technologischen Dienstleistungen und der Energiewende, sieht sich mit beträchtlichen Herausforderungen bei der beruflichen Umschulung konfrontiert. Diese Konsequenzen sind Teil der Intensivierung des starken Überschuldungstrends, der seit über zehn Jahren einen kräftigen und nachhaltigen Wirtschaftsaufschwung verhindert.

Unserer Meinung nach ist daher von einem makroökonomischen Basisszenario mit einem auf mittlere Sicht geschwächten Wachstum auszugehen. Die Auswirkungen auf die Aktienmärkte erfolgen ziemlich direkt: Die Zentralbanken sind offensichtlich weiterhin außerstande, ihre Geldpolitik zu straffen, die Zinsen dürften unverändert niedrig bleiben und somit weiterhin die Marktwerte stützen. An dieses schwächere wirtschaftliche Umfeld perfekt angepasste Sektoren (siehe unsere Note vom September „Das unvermeidliche Gesetz der Evolution“), eine Analyse der darwinistischen Auswirkungen des Schocks des Jahres 2020) werden jedoch in der Lage sein, ihren Wettbewerbsvorteil weiter auszunutzen und somit ihre relative Outperformance auszubauen.

Das Wachstumspotenzial ist geschwächt und verhindert eine Straffung der Geldpolitik der Zentralbanken


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Die Zukunft der Inflation


Das Szenario eines äußerst mühsamen Wirtschaftsaufschwungs leistet, wenig überraschend, Überlegungen einer „neuen Geldtheorie“ Vorschub, die keinerlei Begrenzung der monetären Finanzierung von Haushaltsdefiziten (also ihre Finanzierung durch Geldschöpfung) vorsieht, da offensichtlich gilt: Je mehr wir uns verschulden, desto weniger kostet es uns. Diese Sichtweise allein wirft die Frage nach dem inneren Wert der Währungen auf, die so großzügig und ohne angemessene Vermögensbildung ausgegeben werden. Diese Frage rechtfertigt das Beibehalten eines begrenzten Währungsrisikos in den Portfolios und sogar die Aufrechterhaltung eines bedeutenden Exposures in Sachwerten wie Gold.

Die andere Frage, die dieses Szenario der fast vollständig monetarisierten Haushaltsdefizite aufwirft, ist die der Inflation. Sicherlich fehlt es kurzfristig nicht an Argumenten für einen Anstieg der Preise, ob über die Nachfrage – über eine Mobilisierung der enormen Sparguthaben, die heute verfügbar sind – oder, durch eine Umkehr der Globalisierung der Versorgungsgüter, über die Kosten. Regierungen sowie Zentralbanken wünschen sich diesen inflationistischen Vorstoß, der die tatsächlichen Kosten der Staatsverschuldung senken würde. Es ist daher vorstellbar, dass die Märkte zumindest kurzfristig auf eine leichte Erhöhung ihrer Inflationserwartungen deuten.

Abgesehen davon, dass die Zentralbanken wie oben bereits angesprochen noch nicht bereit sind, ihren Unabhängigkeitsanspruch vollständig aufzugeben und den Wünschen der Regierungen völlig nachzugeben, bleiben die langfristigen deflationären Kräfte allerdings weiterhin sehr stark. Neben den Auswirkungen der Überschuldung hat der außerordentliche Umfang der in den letzten zwanzig Jahren getätigten Investitionen in den Technologiebereich zu beispiellosen Skaleneffekten geführt: diese ließen die Kosten der angebotenen Dienstleistungen einstürzen. Das technologische Angebot revolutioniert fortan nicht nur die Wirtschaftsaktivität, sondern wirkt auch entschieden deflationär. Wie es die Gesundheitskrise 2020 deutlich gezeigt hat, sind zahlreiche Technologielösungen fähig, buchstäblich ohne Kapazitätsgrenzen, auch auf eine rasant anziehende Nachfrage nach virtueller Kommunikation, Zugang zu Informationen oder Datenspeicherung zu reagieren.

Dass dies eintritt, liegt also nicht daran, dass Christine Lagarde, Präsidentin der EZB, und Jerome Powell, Präsident der Fed, sich bereit erklärten, die Inflation leicht über das Ziel von zwei Prozent steigen zu lassen, insbesondere auf kurzfristige Sicht. Jedoch bestätigt es ihren Willen, die realen Zinsen so niedrig wie möglich zu halten, was eine ziemlich deutliche Perspektive für die Anleihenmärkte und eine weitere günstige Rahmenbedingung für den Goldpreis darstellt.

Selbst wenn die Aussicht auf eine kurzfristige Verbesserung sowohl der gesundheitlichen als auch der wirtschaftlichen Dynamik einen gewissen Grad des Exposures gegenüber dem Thema „Wiedereröffnung der Wirtschaft“ in unseren Portfolios rechtfertigt: der Schock des Jahres 2020 hat unsere Überzeugungen in mittelfristige, makroökonomische Trends gefestigt, die dem strategischen Aufbau unserer Portfolios zu Grunde liegen. In unseren Fonds bevorzugen wir also weiterhin hochwertige Growth-Aktien, bei denen uns die Arbeit unserer Analysten einen differenzierten Blick ermöglicht, Goldminen, Unternehmensanleihen, die streng nach der Fähigkeit, diese schwierige Zeit ohne größere Probleme zu überstehen, ausgewählt wurden, sowie ein reduziertes Währungsrisiko.

Quelle: Carmignac, Bloomberg, 6/10/2020

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